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Sündige statt mündige Verbraucher von morgen

Veröffentlicht am 24.04.2015

Kommentar zum Dossier "Essen mit Kindern" erschienen in der Dezember-Ausgabe des Slow-Food Magazins

Artikel: Essen in der Familie. / Essen und Kochen als Bildungauftrag. Standpunkt von Ursula Hudson. / Es geht um viel mehr als nur Nährstoffe

 

Beim Lesen der oben genannten Artikel habe ich mir verwundert die Augen gerieben und mich gefragt, ob ich wirklich das Slow-Food-Magazin in den Händen halte. Da wird statt dem angekündigten „Entspannt Euch“ die ganz große Moralkeule geschwungen, und bei Nichtbefolgung der Ernährungsratschläge droht nicht nur die individuelle, sondern gleich die gesamtgesellschaftliche Katastrophe. Die Botschaft ist klar: Essen nach Vorgaben der Fachgesellschaften macht gesund und das spart Kosten. Das ist so bekannt wie unbewiesen, aber wieso im Slow-Food-Magazin?

Im ersten Artikel erfahre ich, dass nur „Müsli-gestärkte“ und kerngesunde Kinder entspannt <<sündigen>> dürfen. Will man wirklich bei Slow-Food Genuss, um den es ja wohl geht, mit Sünde gleichsetzen? Anscheinend geht es also um einen Ablass-Handel: wer artig die Gebote der Ernährungs-Fachgesellschaften befolgt, ist gesund und der und nur der darf sündigen. Ich hatte die Hoffnung, dass Slow-Food da schon ein Stückchen weiter wäre. Genuss ist Voraussetzung für Gesundheit und nicht umgekehrt. Wer den Genuss an Bedingungen knüpft und ihn mit Sünde gleich setzt, hat etwas grundsätzlich missverstanden und sollte sich bei besagten Fachgesellschaften oder bei einer der großen Kirchen betätigen.

 

Wie Kinder in den Stand versetzt werden, sündigen zu dürfen, erfahre ich an Hand zahlreicher Ratschläge: da lernen sie zunächst mal aus Kinderbüchern, dass gesundes Essen gut schmeckt: damit keiner auf die Idee kommt, seinen Geschmack auf Grund seiner persönlichen Vorlieben zu bilden. Und dann werden die Eltern in Haft genommen: „Und wenn Vater meckern und <<nicht mögen>> darf, dann brauch man sich nicht zu wundern.“ Und immer schön „locker bleiben ist angesagt und weiter unverkrampft vorbildhaft leben.“ Wenn so unverkrampft geht, frage ich mich, wie geht dann verkrampft?

Genuss als Sünde, Geschmacksbildung nicht an den Bedürfnissen orientiert, sondern an der vermeintlich gesunden Ernährung und Eltern, die den Kindern diese als perfekte Schauspieler von morgens bis abends schmackhaft machen, das klingt nicht nach Entspannung, das klingt nach drohendem Burn-Out. Und bitte alles ohne erhobenen Zeigefinger, denn das war früher. Hier würde ich gern hinzufügen: sichtbarer Zeigefinger war früher, denn spürbar ist er deutlich. Und das sollen die Kinder nicht durchschauen?

 

Auch zwei weitere Artikel greifen Horrorszenarien auf, die so klingen, als müsste an geeigneter Stelle Geld eingeworben werden, um gegenzusteuern. („Essen und Kochen als Bildungsauftrag“ und „Es geht um viel mehr als nur Nährstoffe“) Das immergleiche Credo lautet: wir werden die Gesundheitskosten nicht mehr tragen können und müssen schon so früh wie möglich anfangen mit der Erziehung zu einer gesunden Ernährung. Als Beleg muss hier unter anderem herhalten, dass sich nur jedes sechste Mädchen nach den von den Ernährungs-Fachgesellschaften ersonnenen Normen und Geboten ernährt. Bei den Jungen sieht es noch schlimmer aus. Zum Glück, möchte ich hinzufügen, denn es sind wahrlich schon genug Mädchen und Jungen, die nicht mehr auf die Bedürfnisse ihres Körper achten, sondern ihr Essverhalten komplett über den Kopf steuern, was leider nicht selten Essstörungen zur Folge hat, mit denen ich als Ernährungsberater täglich konfrontiert bin.

Die Ratschläge zur Abkehr vom drohenden Ungemach richten sich bei beiden Artikeln nicht an die Eltern, sondern die Einrichtungen der Betreuung und Bildung. In Kindergärten, Horten und Schulkantinen soll nur noch gesundes Essen auf den Tisch und die Kinder sollen über vernünftige Ernährung ganz viel beigebracht bekommen und selber kochen lernen. Hört sich gut an. Wer könnte etwas dagegen haben? Allein die Dinge sind so einfach nicht. Alle bisherigen Maßnahmen, insbesondere was die gesunde Schulverpflegung betrifft, sind bisher wirkungslos verpufft. Kürzlich hat auch Johann Lafer sein Projekt, die Schulverpflegung verbessern zu wollen, eingestellt. Überall das gleiche Bild: dauerhaft werden die von Ernährungs-Fachgesellschaften vorgegebenen Standards nur mit Industrie-Kost erreicht. Wird dagegen mit Liebe gekocht, gelingt der Spagat zwischen Kinderwünschen und wissenschaftlichem Normierungsanspruch bei begrenztem Budget nur mit der Selbstaufopferung einzelner. Nicht selten entpuppen sich diese Vorzeige-Schulküchen bei genauerem Hinsehen aber als gewiefte Schaumschlägerei. Immerhin erfahre ich im Artikel „Es geht um viel mehr als nur Nährstoffe“, dass es bisher kaum wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gibt, ob und wie sich das vorgeschlagene Tun auswirkt.

Zum Schluss möchte ich aber auch auf die positiven Beiträge in diesem Dossier hinweisen: In den Artikeln „Zwischen Erziehung, Kommerz und Eigensinn“ und „Nicht schon wieder Fischstäbchen“ ist zu lesen, wo die Ziele einer Vereinigung liegen sollten, die sich dem Genuss verschrieben hat: Kindern einen möglichst unbedarften Zugang zum Essen ermöglichen, ohne Zwang und Manipulation die Kinder in ihrer Genussfähigkeit zu unterstützen. Für alles andere gibt es schon genug Rat-Schläger.

 

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Diplom-Oecotrophologe Edgar Schröer GAP-Zentrum Schwanallee 17  35037 Marburg

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